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AutorenbildManuel Klinnert

Die Elemente der Lagekarte

In meinem ersten Beitrag zum Thema Lagedarstellung habe ich schon Teile dieses Themenbereiches angeschnitten, die Relevanz betont und auch der Begriff Lagekarte ist bereits gefallen. Wer den Artikel jedoch aufmerksam liest, wird bemerken, dass ich sehr selektiv mit diesem Begriff umgehe. Dieser Gedanke soll zum Inhalt dieses Beitrages hinführen.


Die Lagekarte ist nämlich nicht einfach eine topografische Karte, welche mit einigen taktischen Zeichen versehen wird. Eine Lagekarte ist ein formell recht reglementiertes Gebilde, das die vorhandenen Informationen mittels einheitlichen Elementen auf eine ganz bestimmte Weise darstellt. Und diese Grundform unterscheidet sich auch von Organisation zu Organisation nicht großartig. Natürlich ist eine der Lage entsprechende Anpassung von Form und Inhalt möglich und zweckmäßig. Je mehr wir uns aber an ein gemeinsames Modell halten, desto einheitlicher ist unsere Sprache und desto kompatibler sind wir vor Ort als Führungskräfte. Denn genau wie bei Themen wie den taktischen Zeichen, dem Führungsprozess oder dem Lagevortrag soll ein gemeinsamer Zeichenvorrat unsere Arbeit als Führungskräfte erleichtern.


In der Regel finden wir Lagekarten, wie sie in diesem Beitrag beschrieben werden, in Einrichtungen der Führungsebene C und D, also Führungsgruppen und Stäben. Seltener bei bei Führungstrupps, wie dem Zugtrupp. Vor allem das Technische Hilfswerk ist versiert im Umgang mit Lagedarstellung in dieser Form. Nichtsdestoweniger sollten auch Zugtrupps der Wasserrettung und Einsatzleiter den Umgang damit beherrschen und üben.


Je mehr Platz zur Verfügung steht, desto übersichtlicher kann die Lage dargestellt werden und desto mehr Informationen haben auf der Lagekarte Platz. So kann es sein, dass in Führungsstäben eines Landkreises sowohl S2 als auch S3 eine große Pinnwand oder Tafel für ihre Darstellung zur Verfügung haben und im Zugtrupp eines Wasserrettungszuges alles auf ein kleines Whiteboard passen muss. In beiden Beispielen ist es wichtig, das nötige Zubehör vorzuhalten und alle Kräfte ausreichend auszubilden und in Übung zu halten. Vor allem den ersten Punkt wollen wir uns nun mal genauer ansehen, indem ich Euch die grundlegenden Elemente vorstelle, die man so in einer Lagekarte finden kann.


Grundsätzlich müssen Inhalt und Form der Lagekarte immer der Situation angepasst werden. Je mehr wir uns aber an ein gemeinsames Schema halten, desto leichter fällt uns die Zusammenarbeit im Einsatz


Allgemeine Informationen


Idealerweise mittig am oberen Rand der Lagekarte sollten Informationen zum Stand, also zum Zeitpunkt der letzten Aktualisierung, zu finden sein. So wird sichergestellt, dass man nicht mit Informationen arbeitet, die längst nicht mehr der aktuellen Lage entsprechen.

Anstatt Stärke und Stand einzeln zu vermerken kann diese Übersicht für alle relevanten Informationen genutzt werden

Außerdem kann es sehr hilfreich sein, hier die Gesamtstärke im eigenen Verantwortungsbereich des Einsatzraumes aufzuführen. Das ist zum Beispiel praktisch für Lagevorträge, Pressekonferenzen oder Verpflegungs- und Unterkunftsanforderungen.

Diese beiden Informationen bilden meines Erachtens nach das Minimum und können einfach auf Whiteboard, Tafel, Pinnwand, Klemmbrett oder Blankofolie geschrieben werden. Für größere und detailliertere Lagekarten bietet sich ein vorgefertigtes Formblatt an. Dieses kann im Falle eines Einsatzleiters auch gleich bei Übernahme des Einsatzauftrages ausgefüllt werden und beinhaltet neben Stand und Stärke noch Informationen zu Meldebild, Einsatzort und Führungslage.






Detailkarte

Für diejenigen, die den allgemeinen Post zur Lagedarstellung bereits gelesen haben, sollte jetzt nichts neues kommen: die Detailkarte als räumliche Komponente der Lage beziehungsweise des Führungsprozesses. Eine Pauschalaussage, wie die ideale Darstellung für eine Detailkarte aussieht, lässt sich nicht treffen. Aber wenn Ihr ein paar Grundsätze berücksichtigt, seid Ihr auf der sicheren Seite. Folgende Entscheidungen sind bei der Auswahl der Detailkarte zu treffen:

  • Art: welche Art der Darstellung ist zu wählen? Wir können wählen zwischen einer topografischen Karte, einer Karten- oder Ansichtsskizze, einem Luftbild und eventuell sogar einem normalen Foto. Grundsatz: die einfachste Methode ist in der Regel eine topografische Darstellung aus Vogelperspektive. Bei guter Vorbereitung oder entsprechenden EDV-Möglichkeiten wird das die topografische Karte sein. Ihr solltet aber auch üben, eine Kartenskizze anzufertigen. So könnt Ihr euch in kurzer Zeit eine auf Eure Bedürfnisse zugeschnittene Detailkarte anlegen.

  • Details: wie detailliert soll die Darstellung sein? Bei kommerziellen oder gedruckten Karten lässt sich dieser Punkt hauptsächlich durch den Maßstab beeinflussen. Aber auch der Typ der Karte bestimmt, welche Details dargestellt werden. In manchen Karten sind beispielsweise Flusskilometer nicht eingezeichnet, manche geben sogar Aufschluss über Gewässertiefe. Manchmal kommt es hauptsächlich darauf an, wie sich das Gelände in Realität genau darstellt. Hier ist die Verwendung eines Satellitenbildes vielleicht zweckmäßiger. Fertigt Ihr Euch selbst eine Skizze an, habt Ihr natürlich den meisten Einfluss darauf, welche Details die Karte enthalten soll. Limitierender Faktor in diesem Fall ist Euer künstlerisches Geschick. Grundsatz: so wenig wie möglich, so viele nötig. Lernt mit verschiedenen Arten der räumlichen Darstellung umzugehen. Vor allem bei Übungen könnt Ihr im Voraus Karten ausdrucken (z.B. über den BayernAtlas) und mit diesen arbeiten. So bekommt Ihr auch ein Gespür dafür, was sich für Euch und für bestimmte Lagen am besten eignet.

  • Größe: welches Format soll die Detailkarte haben? Das hängt natürlich vom vorhandenen Platz ab, welcher wiederum maßgeblich von der Führungsebene abhängt, in der wir uns befinden. Der Gruppenführer wird in der Regel nicht über DIN-A4 hinauskommen. Auf Zugebene, vor allem wenn ein Führungstrupp unterstützt, sollten wir uns schon im Bereich DIN-A3 bewegen. Haben wir viel Platz, beispielsweise in einem Führungsstab, sollten wir den auch ausnutzen. Je größer, desto besser. Eine wichtige Rollte spielt hier natürlich auch der Maßstab. Grundsatz: Wählt den Maßstab so, dass die Kartengröße Euch nicht behindert, aber alle wichtigen Informationen enthalten sind. Es sollte der ganze Verantwortungsbereich dargestellt werden und möglichst wenig unnötiger Raum darüber hinaus.

Beispiele für Detailkarten (Slideshow, zum Stöbern Pfeil anklicken):

Topografische Karte, Kartenskizze, Ansichtsskizze, Luftbild



Übersichtskarte

Die Übersichtskarte hat meist einen kleineren Maßstab (also weniger detailliert) und bildet einen größeren Bereich ab. Sie wird nicht zwangsläufig benötigt, kann aber hilfreich sein, wenn es darum geht Anfahrtstrecken zu kennzeichnen, relevante Lageinformationen der Nachbarabschnitte einzutragen oder die Rahmenlage zu erfassen. Für die Übersichtskarte bietet sich an, das Kartenmaterial bereits als topografische Karte in der Ausrüstung mitzuführen. Da kleinere Maßstäbe (i.d.R. ab 1:50.000) ausreichen, kann man ohne weiteres einen Kartensatz des entsprechenden Einsatzraumes (Heimatlandkreis etc.) mitführen. Eventuell reicht sogar schon eine Seite aus einem Fahrzeugatlas. Im Katastrophenfall außerhalb der Heimat bekommt man eventuell in einer regionalen Buchhandlung noch Kartenmaterial oder von der örtlichen Einsatzleitung.




Kräfteübersicht und Bereitstellungsraum

Vor allem in der Anfangsphase eines Großeinsatzes lässt sich die eigene Lage gut in der sogenannten Kräfteübersicht darstellen. Dabei handelt es sich um eine tabellarische Auflistung der eigenen Einheiten, in der Regel unterteilt nach

  • angefordert

  • auf der Anfahrt und

  • am Einsatz

Die dritte Spalte ist oft ohne spezifische Überschrift, da es je nach Einsatzlage hier verschiedene Möglichkeiten gibt. Meist befinden sich hier alle Einheiten ohne Einsatzauftrag. Gibt es nur einen Bereitstellungsraum, kann dieser durch die dritte Spalte dargestellt sein. Wird die extra Tafel für den Bereitstellungsraum genutzt, kann ich die Spalte für kräfte nutzen, welche am Einsatzort eingetroffen sind und nun auf Ihren Zuteilung in einen Abschnitt oder Raum warten.

Bei sehr kleinen Einsätzen mit nur einem Abschnitt kann ich mir gegebenenfalls sogar alle anderen Tafeln sparen und alle Kräfte am Einsatz in dieser Spalte zusammenfassen.


Wächst der Einsatz an, sodass ein großer oder sogar mehrere Bereitstellungsräume geschaffen werden, können diese mit einer separaten Tafel dargestellt werden. Dabei handelt es sich um ein einfaches Feld für alle dem BR zugeteilten Einheiten und einer Kopfzeile, in der Titel, Leiter und Funkrufname des Abschnittes eingetragen werden.


Und so können Tafeln für Kräfteübersichten und Bereitstellungsräume aussehen (Slideshow):




Schadenkonten

Nun wollen wir auch den dritten Teil der Lage darstellen: die Schadenlage. Und in Form von Schadenkonten können wir diese auch gleich so visualisieren, dass ihr unsere Eigene Lage gegenübergestellt wird. Konkret bedeutet das eine tabellarische Gegenüberstellung von Bedarfsträgern und Einheiten, die wir dazu einsetzen. Unter Schäden beziehungsweise Bedarfsträgern verstehen wir in diesem Fall nicht nur die Personen- und Sachschäden, sondern auch durchzuführende Maßnahmen. Hier können also zum einen verletzte oder zu evakuierende Personen eingetragen werden, zum anderen aber auch eine erforderliche Vermisstensuche oder Absicherung von Fremdkräften.

Diese direkte Gegenüberstellung bietet auch einen erheblichen Vorteil bei der Planung. Da wir die einzelnen Maßnahmen sowie die verfügbaren Einheiten gleichzeitig vor Augen haben, können wir schnell ein Defizit oder einen Überschüss an Kräften feststellen. Zudem lässt sich durch das Aufteilen der einzelnen Abschnitte auf die Schadenkonten die Ordnung des Raumes schön erkennen. Das einfache Verschieben zwischen den Tafeln ermöglicht darüber hinaus, den Führungsprozess visuell zu unterstützen. Man muss nur im Hinterkopf behalten, dass man reelle Einheiten verschiebt und dazu weitaus mehr gehört, als "Schachfiguren" auf einem Spielbrett zu verschieben.


Hier seht Ihr noch einige Beispiele, wie Ihr Schadenkonten für Eure Lagen verwenden könnt:



Führungsharke

Den letzten wichtigen Teil der eigenen Lage stellt die Führungslage dar. Diese wird am Besten in form eines bestimmten Organigramms, auch Führungsharke genannt, dargestellt. Darin enthalten sind Informationen zu den über- und untergeordneten Stellen, Namen, Rufnamen sowie Erreichbarkeiten. So bieten sich folgende wesentliche Vorteile:

  • Ich erkenne schnell, wie ich über- und untergeordnete Stellen erreiche

  • Ich habe einen schnellen Überblick über die Führungsorganisation am Einsatz

  • Ich kontrolliere die Einhaltung der 5er-Regel*

  • Ich erhalte Aufschluss über Ansprechpartner in den Nachbarabschnitten

*wem die 5er-Regel nichts sagt: eine Führungskraft sollte nie mehr als fünf untergeordnete Stellen führen. Kann diese Regel nicht eingehalten werden, sollten Kräfte zusammengefasst werden, zum Beispiel in Abschnitte.


Als Richtwert sollte man in der Regel mindestens zwei Führungsebenen oberhalb der eigenen und eine Führungsebene unterhalb der eigenen aufführen. Am besten nutzt man Taktische Zeichen für die entsprechende Einheit/Stelle und vermerkt handschriftlich den Rufnamen, gegebenenfalls den Klarnamen sowie die Funkgruppe/den Kanal über den die Ebene führt.

Vor allem bei Lagevorträgen kann die Führungsharke hilfreich sein, das Gesagte zu visualisieren.

Ergänzende Informationen

Alle weiteren Informationen müssen auf der Lagekarte situationsabhängig ergänzt werden. Dabei kann es sich um Wetterdaten und -vorhersagen, Pegelstände, Alarmpläne und Telefonlisten, Funkeinsatzskizzen, Schichtpläne, diverse Notizen in Form von Memos, und so weiter handeln.




Hier habt Ihr sie also, die grundlegenden Bestandteile einer vollwertigen Lagekarte, wie sie in den meisten Hilfsorganisationen vorgesehen ist. Einerseits müssen die Darstellungsformen natürlich immer auf die Lage, die Nutzer und die Ressourcen vor Ort abgestimmt werden. Andererseits gilt, wie schon in anderen Beiträgen angesprochen: je einheitlicher unsere Sprache im Einsatz ist, desto leichter wird uns die Zusammenarbeit fallen und desto besser können wir uns auf das Fällen richtiger Entscheidungen konzentrieren.



Vom Leichten zum Schweren

Auch Führungskräfte müssen das Erlernte üben, um es im Einsatz stresssicher abrufen zu können. Und besonders die Lagedarstellung ist eine übungsintensive Fähigkeit, wenn sie spontan auch für kleinere Lagen auf dem Klemmbrett stattfinden soll. Daher empfehle ich, das Ganze bei Führungssimulationen zunächst im großen zu üben - auf einem Whiteboard, Flipchart, Garagentor, etc - und die Schwierigkeit nach und nach durch Verminderung des Platzes zu steigern. Wer das Grundprinzip verstanden hat, dem wird dieses Abstrahieren und Skalieren, wie ich es in meinem Beitrag zur Lagedarstellung schon beschrieben habe, leicht von der Hand gehen. Aber dazu bedarf es zunächst der ein oder anderen Übungseinheit.

In Zukunft werde ich auch immer wieder Führungssimulationen und Ausbildungsentwürfe posten. Bis dahin werdet einfach selber kreativ oder lasst Euch von einer erfahrenen Führungskraft an die Hand nehmen und schulen.



Die Karte Anfertigen

Wie versprochen findet Ihr hier Kräfteübersicht, Schadenkonten und Bereitstellungsraum als Download:



Dazu noch ein paar "technische Anmerkungen":

Die Lagekarte stellt das große Ganze dar. Diese Elemente dienen dazu, das Layout innerhalb der Lagekarte übersichtlich zu gestalten. Um das praktikabel umzusetzten gibt es drei Möglichkeiten. Die einfachste ist, diese Elemente auszudrucken, zu laminieren und idealerweise hinten mit selbstklebenden Magnetstreifen zu versehen. So können sie an jedem magnetischen Hintergrund befestigt werden und das Arbeiten mit Magnetprofilen wird erleichtert. Beim Bewegen der Schadenkonten etc. fallen jedoch die darauf befestigten Profile herunter. Daher ist die zweite Methode, die laminierten Ausdrucke zusätzlich auf Metalltafeln zu kleben. Zwar wird das Set dann ziemlich schwer, aber alle Elemente lassen sich frei verschieben, ohne die darauf befestigten Inhalte neu anordnen zu müssen. Daher eignet sich diese Methode am ehesten für stationäre Lagekarten. Die dritte Variante ist das Drucken auf Magnetpapier. Hier muss nichts laminiert oder geklebt werden, Nachteil ist jedoch der hohe Preis und auch hier können Elemente nicht mitsamt Inhalt von der Darstellung genommen werden.

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