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AutorenbildManuel Klinnert

Führungsprozess (Teil 4): Lagebeurteilung und Entschluss

Zur Phase der Planung und Entschlussfassung geben die Vorschriften leider nur wenig Auskunft über ein konkretes Vorgehen. Hier einige Empfehlungen, wie Ihr dennoch strukturiert zu einem folgerichtigen Entschluss kommt, und wie dieser aussehen kann.

 

Die Planung kommt nach der Lagefeststellung durch Erkundung oder Kontrolle, besteht aus einer Beurteilung, in der man irgendwelche Vor- und Nachteile abwägen soll, und einem Entschluss, von dem dann nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Viel mehr lässt sich nicht aus den wenigen Seiten herleiten, die uns die Dienstvorschriften zu diesem Thema mit auf den Weg geben. Hat man allerdings alle benötigten Informationen zusammengetragen, prägt diese Phase im Wesentlichen das weitere Handeln der Einsatzkräfte. Sie ist sozusagen der Brutkasten für das Vorgehen der Schaden- und Gefahrenabwehr.

Immerhin bekommen wir erste Prüffragen vorgegeben, die uns bei der Planung helfen sollen:

  • "Welche Gefahren sind für Menschen, Tiere, Umwelt, Sachen erkannt?

  • Welche Gefahr muss zuerst und an welcher Stelle bekämpft werden?

  • Welche Möglichkeiten bestehen für die Gefahrenabwehr?

  • Vor welchen Gefahren müssen sich die Einsatzkräfte hierbei schützen?"

(SKK, 2000, S. 34)

Werfen wir Mal einen Blick darauf.


Welche Gefahren sind für Menschen, Tiere, Umwelt, Sachen erkannt?

Diese Frage sollte im Grunde mit Abschluss der Lagefeststellung beantwortet sein. Mit Feststellung der Schaden- und Gefahrenlage hat sich die Führungskraft in aller Regel ein Bild davon verschafft, wo Maßnahmen der Schaden- und Gefahrenabwehr erforderlich sind. In der Phase der Beurteilung kommt es nun auf das Beantworten der nächsten Frage an...


Welche Gefahr muss zuerst und an welcher Stelle bekämpft werden?

Hier wird es schon konkreter. Dieses Konzept kennen wir bereits aus vorherigen Beiträgen: die Führungskraft hat die eigenen Kräfte nach Raum und Zeit zu koordinieren. Wir müssen also kategorisieren, priorisieren, abwägen. Ich stelle Folgerungen auf, wie die Gliederung eigener Kräfte und die Ordnung des Raumes gegebenenfalls auszusehen hat. Um diese Fragen weiter zu konkretisieren, nutzen wir die nächste Frage...


Welche Möglichkeiten bestehen für die Gefahrenabwehr?

Ich muss also feststellen, welche konkreten Möglichkeiten ich für das eigene Handeln habe. Dabei kommt auch das Abwägen von Vor- und Nachteilen ins Spiel, das in der Grafik zur Phase der Planung mit dem Symbol der Waage dargestellt ist. Die Beantwortung dieser Frage wird meist viel zu sehr vernachlässigt. Wer stellt schon in der Praxis wirklich immer verschiedene (konkrete!) Handlungsmöglichkeiten auf und wägt diese ab? Das passiert in der Regel höchstens unterbewusst.


Vor welchen Gefahren müssen sich die Einsatzkräfte hierbei schützen?

Wurde die erste Frage beantwortet, sollten immer auch Folgerungen zur Beantwortung dieser Frage aufgestellt werden. Zur Unterstützung dieser Fragestellung haben Führungskräfte im Schwerpunkt das Mittel der Gefährdungsbeurteilung, die im Idealfall im Rahmen der Erkundung schriftlich durchgeführt wird.


Grundsätzlich sind das sehr hilfreiche Fragen, die bei der Durchführung der Planung helfen können. An so vielen Stellen gibt uns die Vorschrift jedoch Strukturen, Schemata, Checklisten an die Hand. Warum also nicht auch hier? Vielleicht helfen Euch die folgenden Abschnitte dabei, das Konzept einer Lagebeurteilung und Planung besser zu verstehen, auch wenn es nicht ganz dem entspricht, was die Vorschriften konkret vorgeben.



Überblick

Zunächst hilft es, den Führungsvorgang etwas umzugliedern und zu entzerren. Vor allem die Phase der Beurteilung soll dabei in feinere Schritte gegliedert und mit der Lagefeststellung verknüpft werden.

Am Anfang steht wie im zugehörigen Beitrag erläutert die Auftragsauswertung an. Diese zähle ich bereits zur Lagefeststellung, weil es auch hier schon um das Einholen einsatzrelevanter Informationen geht. Es folgen Lagefeststellung und Beurteilung, die in der Praxis oft nicht chronologisch ablaufen. Denn alles, was ich feststelle - egal, ob es sich um vorhandene Informationen, einlaufende Meldungen oder Erkundungsergebnisse handelt - muss auch direkt bewertet werden. Aus der Bewertung werden Sachverhalte gefolgert, welche mein Handeln wesentlich vorgeben oder Prüffragen, die es vor Entschlussfassung zu klären gilt. Warum also nicht auch hieraus einen sich wiederholenden Prozess machen, der so lange durchgeführt wird, bis genügend Informationen für eine weitere Planung vorhanden sind. Erst dann folgt das, was ich als die eigentliche Planung bezeichnen würde. Aus den Folgerungen leite ich Möglichkeiten eigenen Handelns her, also mögliche Entschlüsse, wie ich mit meinen Kräften und Mitteln der Schaden- und Gefahrenlage entgegenwirken kann. Um die beste Methode der Schaden- und Gefahrenabwehr zu selektieren, muss ich die aufgestellten Möglichkeiten anschließend bewerten und gegeneinander abwägen. Erst dann kann ich einen Entschluss fassen, der entsprechend der Lagefeststellung folgerichtig und erfolgversprechend ist.

In der folgenden Grafik seht Ihr, wie ein so abgewandelter Führungsvorgang aussehen könnte. Anschließend möchte ich auf jeden einzelnen genannten Schritt näher eingehen.



Die Lagebeurteilung

Im Grunde muss ich alles, was ich in der ersten Phase feststelle auch beurteilen. Wir haben ja angesprochen, dass ich während der Lagefeststellung bereits Folgerungen für das eigene Handeln aufstellen sollte. Das kann nur passieren, wenn ich auch eine Beurteilung der jeweiligen Sachverhalte durchführe. Je mehr Erfahrung die Führungskraft mitbringt, desto automatischer läuft dieser Prozess ab. Für mich ist das Konzept des Führungsvorganges daher besser zu verstehen, wenn man sich die Phasen der Lagefeststellung und -beurteilung als ineinandergreifende Schritte vorstellt, auf die dann der restliche Teil der Planung folgt. In der Theorie kann ich selbstverständlich zunächst alle Informationen einholen - welche Bedarfsträger gibt es, was steht mir zur Verfügung, wie sieht das Gelände aus, ... - und mir erst im nächsten Schritt Gedanken machen, welche Folgerungen ich daraus ziehen muss. In der Praxis wird es aber immer so ablaufen, dass ich eine Feststellung mache, diese Beurteile und Folgerungen für mein Handeln feststelle. Das mache ich dann so lange, bis mein Informationsvorrat voll genug ist, um mir Handlungsmöglichkeiten zurecht zu legen. Diese wäge ich dann nach Vor- und Nachteilen ab und fasse einen Entschluss.


Bevor Ihr Euch die Beispiele in der folgenden Grafik anseht, möchte ich noch einige Takte zum Vorgehen bei der Beurteilen verlieren. Die Vorschrift sieht das Abwägen nach Vor- und Nachteilen vor. Das eignet sich gut, wenn die Möglichkeiten des Handelns bereits aufgestellt sind und diese gegeneinander abgewägt werden. Wenn wir uns noch in der Phase befinden, in der wir alle Feststellungen einzeln beurteilen, ist diese Methode eher unzweckmäßig. Ich halte es zumindest für schwierig, die Vorteile von verletzten Personen oder Gefahren an der Einsatzstelle aufzulisten. Ich nutze hier gerne die Methode, danach zu fragen

Was bieten mir als Führungskraft oder Teil der Gefahrenabwehr ein Sachverhalt und was wird dadurch von mir gefordert?

Ebenso kann ich nach Chancen und Risiken beurteilen.


Vielleicht macht dieses tabellarische Beispiel etwas deutlicher, was gemeint ist:


Alles, was ich bei der Feststellung anspreche, muss ich Beurteilen und daraus Folgerungen für mein Handeln herleiten. Kann ich mich nicht auf eine konkrete Folgerung festlegen, stelle ich eine Prüffrage auf. In diesem Fall war es die Nutzung der Slippstellen.

Wenn Ihr die Beispiele aufmerksam aus den Augen eines Einsatzleiters lest, werden Euch auch ohne weitere Informationen direkt die Handlungsmöglichkeiten vor Augen schweben. Durch die von uns aufgestellten Folgerungen und die Prüffrage wird auch der nächste Schritt der Planung sehr deutlich: das Abwägen der Möglichkeiten eigenen Handelns.



Aufstellen der Möglichkeiten

Zunächst brauche ich mehrere Möglichkeiten, um diese gegeneinander abzuwägen. Ich weiß... oft erscheint es eindeutig, wie das beste Vorgehen auszusehen hat und man verschwendet keine Zeit damit, sich noch großartig weitere Möglichkeiten aus den Fingern zu saugen. Meiner Meinung nach schmälert Ihr damit unnötig Euren Handlungsspielraum und verfallt ganz schnell in das Muster "das haben wir schon immer so gemacht". Natürlich sollt Ihr Euren Erfahrungsschatz aus vergangenen Einsätzen nutzen. Ihr sollt aber auch Eure Kreativität einsetzen, den besten Entschluss für genau diesen Einsatz zu fällen. Und zwei Dinge sind dabei klar:

Kein Einsatz gleicht dem anderen und

Die gute Führungskraft betrachtet jedes Problem, als sähe sie es zum ersten Mal.


Könnt Ihr dann schnell aufgrund Eurer Erfahrungen eine, zwei, drei der aufgestellten Möglichkeiten verwerfen, umso besser.


Wie sehen aber diese Möglichkeiten konkret aus? Im Grunde suchen wir ja nach einem Entschluss. Der Entschluss, so die Vorschrift (SKK, 2000, S. 36), muss folgende Punkte mindestens enthalten: • durchzuführende Maßnahmen

• einzusetzende Kräfte und Mittel


Ergänzt werden können dann noch Punkte zu Nachforderungen, Ordnung des Raumes sowie Festlegung von Schwerpunkt, Reserven, Bereitstellungsräumen, Sammelstellen und Absperrmaßnahmen.

Wie Ihr den Entschluss genau formulieren könnt, will ich im Anschluss noch ansprechen. In unserem Beispiel reicht es, die wesentlichen Punkte der Möglichkeiten formlos anzusprechen. In Anbetracht unserer Folgerungen und der grundsätzlich zu beachtenden Einsatzregeln kommen folgende Möglichkeiten in Frage:


Möglichkeit 1: Anfahrt zur Brücke

Die SEG vor Ort (SEG 1) stellt sofort die Einsatzbereitschaft des Motorbootes mit Besatzung sicher, die beiden SEGn auf Anfahrt setzen ihre Boote ebenfalls hier ein, SEG 1 stellt schnellstmöglich einen Sicherungsposten 2 Fluss-km unterstrom, SEG 2 und 3 koppeln dann dort mit 1 und beginnen schnellstmöglich die Suche ab Sicherungsposten Richtung Einsatzstelle in einer Bootskette.


Möglichkeit 2: Anfahrt zur Slippstelle 2 (flussabwärts)

Die SEG vor Ort (SEG 1) stellt sofort die Einsatzbereitschaft des Motorbootes mit Besatzung sicher und begibt sich auf dem Wasserweg zur Slippstelle 2, die beiden SEGn auf Anfahrt (2 und 3) setzen ihre Boote direkt bei der Slipstelle 2 ein, SEG 2 stellt dort schnellstmöglich einen Sicherungsposten, der Rest beginnt dann dort die wasserseitige Suche in Richtung Einsatzstelle in einer Bootskette.


Möglichkeit 3: Aufteilen

Die SEG vor Ort sowie SEG 2 stellen sofort die Einsatzbereitschaft der Motorboote mit Besatzungen bei der Brücke sicher und begeben sich auf dem Wasserweg zur Slippstelle 2, SEG 3 stellt dort schnellstmöglich einen Sicherungsposten und macht ebenfalls das Boot klar, dann Koppeln aller Einheiten dort und schnellstmögliches Durchführen der wasserseitigen Suche Richtung Einsatzstelle in einer Bootskette.


Wenn Ihr die gegebenen Möglichkeiten mit den zuvor festgelegten Folgerungen vergleicht, werdet Ihr alle wiederfinden und feststellen, dass auch die Prüffrage in jeder Variante beantwortet wurde. Viele Möglichkeiten sind sich in bestimmten Punkten auch sehr ähnlich. Das leitet direkt zum nächsten Schritt hin.



Feststellen der Gemeinsamkeiten

Zum einen haben wir ja Folgerungen aufgestellt, welche bei jeder Möglichkeit eigenen Handelns beachtet werden müssen. Dazu kommen allgemeine Einsatzgrundsätze, welche wir ohnehin einzuhalten haben. Darunter fällt hier zum Beispiel die Suchrichtung flussaufwärts, die Einteilung eines Sicherungspostens sowie das Suchen in einer Bootskette. Die Elemente kommen in jeder Handlungsmöglichkeit vor und müssen daher nicht beim abwägen berücksichtigt werden. Es würde ja keinen Sinn ergeben, jetzt Probleme bei einem dieser Punkte festzustellen, wenn er fester Bestandteil einer jeder Möglichkeit ist. Wäre das der Fall, hätten wir bereits im Vorfeld bei der Beurteilung der einzelnen Faktoren etwas übersehen und müssten nochmal von vorne anfangen. Genauso muss ich nicht anfangen, hier beispielsweise die Vorteile eines sofortigen Einsatzes der SEG vor Ort anzusprechen, da alle Möglichkeiten diesen Vorteil bieten und er somit nicht für das Feststellen der besseren Möglichkeit taugt.

Nun können wir beginnen, die Möglichkeiten zu bewerten.



Bewerten der Möglichkeiten

Hier geht es nun endlich um das Herausstellen der Vor- und Nachteile. Selten wird es vorkommen, dass eine Möglichkeit nur Vorteile und die anderen nur Nachteile mit sich bringen. Daher gilt es, die Vor- und Nachteile gegeneinander aufzuwiegen und an ihrer Relevanz für die aktuelle Lage zu bemessen. Zunächst müssen wir diese aber ganz objektiv für jede einzelne Möglichkeit herausarbeiten.


Möglichkeit 1 - Anfahrt zur Brücke: diese bietet den Vorteil eines geringen Koordinierungsaufwandes, da alle Einheiten vor Ort eingesetzt werden. Nachteil ist ein höherer Zeitaufwand, da die Einheiten zuerst die Slippstelle anfahren und dann noch den Weg auf dem Wasser zurücklegen müssen. Außerdem habe ich eine Einheit mehr an der Slippstelle, was zu Platzproblemen führen kann.


Möglichkeit 2 - Anfahrt zur Slippstelle 2: diese bietet den Vorteil eines geringeren Zeitaufwandes, da SEG 2 und 3 bereits 4 Fluss-km unterstrom die Boote slippen. Außerdem muss nicht erst ein Sicherungsposten verbracht werden, dieser kann gleich auf Höhe der Slippstelle platziert werden. Nachteil ist ein höherer Koordinierungsaufwand, da ich SEG 2 und 3 nicht vor Ort habe und diese sich über Funk mit SEG 1 abstimmen müssen.


Möglichkeit 3 - Aufteilen: diese bietet den Vorteil, dass ich 2 von 3 SEGn vor Ort habe und persönlich einweisen kann. Außerdem stehen gleich zwei Einheiten zur Verfügung, die bereits auf dem Weg zum Treffpunkt unterstrom einen Blick ins Gelände haben. Auch hier muss zudem der Sicherungsposten nicht erst verbracht werden. Nachteil ist wieder der Koordinierungsaufwand, da ich den anfahrenden Einheiten unterschiedliche Aufträge erteilen muss und eine Einheit nicht vor Ort habe.


Jetzt haben wir ein objektives Bild davon, welche Vor- und Nachteile einzelne Möglichkeiten mit sich bringen. Wir haben noch keine Wertung einfließen lassen, sondern lediglich positive und negative Punkte herausgearbeitet. Erst im Anschluss folgt die eigene Bewertung dieser Punkte und somit das Abwägen der Möglichkeiten.


Abwägen

Hier geht es darum, die Vor- und Nachteile mit Blick auf die aktuelle Lage und den Auftrag zu bewerten. Auf welche Vorteile kommt es besonders an, welche Punkte können vernachlässigt werden, welche Nahteile sind "knock-out-Kriterien"?


In unserem Beispiel-Szenario kommt es besonders auf ein rasches Handeln an (haben wir ja gefolgert). Somit fällt die erste Möglichkeit schonmal weg.

Der Koordinierungsaufwand ist bei Möglichkeit 3 zwar höher, kann jedoch vernachlässigt werden, da der sofortige Blick ins Gelände durch zwei Einheiten schwerer zu gewichten ist.

Somit wird Möglichkeit 3, das Aufteilen der anrückenden Einheiten, zum Entschluss.


Das Abwägen liest sich zwar, als handele es sich hier um gegebene Tatsachen, de facto kommt es hier aber wie bei keinem anderen Punkt auf die subjektive Einschätzung der Führungskraft an. Es obliegt einzig und allein dem Einsatzleiter oder der Einsatzleiterin, zu entscheiden, worauf es jetzt bei der Schaden- und Gefahrenabwehr ankommt. In einer anderen Lage kann das Minimieren des Koordinierungsaufwandes wichtiger sein oder andere Punkte, die es immer während der Phase des Abwägens zu entscheiden gilt.



Tip: Ten-for-ten

Oft werden wir als Führungskräfte einfach von der Chaosphase überwältigt. Da reicht auch das größte Verständnis vom Führungsvorgang nicht aus, um ein kontrolliertes Feststellen-Beurteilen-Folgern durchzuführen, welches in einem klaren und folgerichtigen Entschluss mündet. In diesen Situationen könnt Ihr ein sogenanntes "Ten-for-ten" durchführen. Das bedeutet: ich nehme mir zehn Sekunden, um die nächsten zehn Minuten zu planen. Im Grunde handelt es sich schlichtweg um einen Anlass, inne zu halten und die Gedanken neu zu ordnen. Anders gesagt: man setzt alles auf null und beginnt nochmal mit einem strukturierten Führungsvorgang. In den meisten Situationen, auf die wir in der Wasserrettung stoßen, wird aus dem Ten-for-ten eher ein "Eine Minute, um die nächste Stunde zu planen". Das ändert jedoch nichts an dem Prinzip. Seid Euch auch nicht zu schade, Euch diesen Vorgang laut vorzusagen, vor allem in Übungen.



Der Entschluss

Jetzt steht aber noch die Frage offen, wie denn ein solcher Entschluss auszusehen hat. Bei einem Blick in den Duden ist mir die sehr treffende Definition des Wortes ins Auge gestochen.

Durch einen strukturierten Prozess des Überlegens wollen wir das folgerichtige weitere Vorgehen festlegen und so unsere eigene Absicht generieren. Den Begriff der "Absicht" kennen wir ja schon aus der Auftragsauswertung und er wird uns vor allem auch bei der Befehlsgebung nochmal begegnen.

Nun gilt es nur noch, eine Formulierungshilfe aufzustellen, um den Entschluss zu einem gleichermaßen strukturierten und kommunizierbaren Informationsträger zu machen.


Was enthalten sein muss, haben wir bereits angesprochen:

  • durchzuführende Maßnahmen

  • Einsatz der Kräfte und Mittel

sowie bei Bedarf

  • Ordnung des Raumes

  • Schwerpunkt

  • Reserven

  • Bereitstellungsräume

  • Sammelstellen

  • Absperrmaßnahmen


Wir können einen Entschluss grundsätzlich genau so gliedern. In unserem Beispiel kann der Einsatzleiter Wasserrettung dann folgenden Entschluss formulieren: "Meine Absicht ist die

- Durchführung der Personensuche und -rettung aus dem Wasser unter

- Einsatz von drei Schnelleinsatzgruppen mit drei Motorbooten in Bootskette und einem Sicherungsposten bei Fluss-km XY.

- SEG 1 nutzt Slippstelle vor Ort, SEG 2 und 3 nutzen Slippstelle 2

- dort auch der Schwerpunkt bei der Personensuche flussaufwärts,

- Bereitstellungsraum beim Parkplatz unter der Brücke."


Ich finde diese Gliederung wenig intuitiv und ungewohnt. Ich müsste mir also die ersten Male eine Taschenkarte zur Hand nehmen, um meine Absicht in dieser Form vermitteln zu können.


Da das Fassen von Entschlüssen auch oft einen Teil meines Berufes darstellt, nutze ich in der Wasserrettung gerne die gleiche Form wie im Dienst:

- Wer macht

- Was,

- Wie,

- Wann,

- Wo,

- Wozu


"Wer" ist in diesem Fall immer die eigene Ebene, beim EL WR sind das also alle Kräfte der Wasserrettung, beim Zugführer der Zug, beim Gruppenführer die Gruppe und so weiter. "Was" meint die durchzuführenden Maßnahmen, sprich in diesem Fall die Durchführung der Personensuche und -rettung. Das "Wie" soll klar machen, wie die einzelnen Einheiten sich im gesamten Einsatzgefüge gliedern. In unserem Beispiel: "Mit drei Schnelleinsatzgruppen unter Einsatz von Motorrettungsbooten in Bootskette flussaufwärts sowie einem Sicherungsposten." Hier können auch alle weiteren Punkte angesprochen werden, die oben mit genannt wurden. Relevante Punkte zur Ordnung des Raumes, Reserven, Schwerpunkte, Absperrmaßnahmen und so weiter.

Das "Wann" vernachlässigen wir, da in der Regel alle Aufträge sofort ausgeführt werden müssen.

"Wo" hingegen ist vor allem in diesem Fall wieder wichtig, da es hier einen besonderen Koordinationsaufwand gibt. Hier können die Slippstellen, der Treffpunkt und der Standort des SiPo's genannt werden.

Bei dem "Wozu" wird der Auftragskern an die nachgeordneten Ebenen vermittelt. Dazu mehr im Beitrag zur Auftragsauswertung. Zusammengefasst würde ich also den Entschluss hier wie folgt formulieren:

"Meine Absicht ist:

- die Kräfte der Wasserrettung

- führen eine Personensuche und -rettung durch,

- mit drei SEG'n unter Einsatz Motorboot in Bootskette flussaufwärts (hier Schwerpunkt) und Sicherungsposten,

- Slippen SEG 1 vor Ort, SEG 2 und 3 bei Slippstelle 2, dort auch Bootstreffpunkt, Suchbeginn und Abstellung Sicherungsposten,

- um schnellstmöglich den Raum von Brücke bis vier Fluss-km unterstrom nach der Person abgesucht zu haben."


Für den ein oder anderen mag diese Form verwirrender und die zuvor geschilderte Gliederung praktikabler erscheinen. Wichtig ist, dass Ihr Euch ausprobiert und die für Euch beste Lösung findet. Macht Euch einfach Notizen oder eine Taschenkarte und nutzt die Übungen, um einen vollständigen Entschluss zu formulieren und diesen in der Befehlsausgabe auch so zu kommunizieren. Wenn Ihr es schafft, Eurer nachgeordneten Ebene kurz und prägnant zu vermitteln, was Euer Plan ist, werden diese die Auftragstaktik auch viel eher in Eurem Sinne umsetzen.



Fazit

Ihr habt oben einige Minuten damit verbracht, meine Ausführungen zur Lagebeurteilung einer einzelnen, wenig komplexen Lage zu lesen. Lasst Euch aber nicht dazu verleiten, zu denken, dass dafür im Einsatz sowieso keine Zeit bleibt. Wie lange der Prozess dauert, ist ganz von Eurer Übung darin abhängig. Im Beitrag zur Lagefeststellung erfahrt Ihr, dass diese bereits weit vor der Alarmierung, spätestens aber auf der Anfahrt beginnt. Wenn Ihr dann aus dem Auto steigt und mit einem kurzen Blick ins Gelände Euer Lagebild vervollständigt, direkt Handlungsmöglichkeiten aufstellt und bewertet, seid Ihr in der Phase des Abwägens wenn der erste Gruppenführer Euch nach dem weiteren Vorgehen fragt. Und als Bonus könnt Ihr dann Eindruck schinden, indem Ihr wie oben beschrieben das Abwägen kurz und knackig laut durchführt. Die nachgeordnete Ebene merkt, dass Ihr Euch Gedanken gemacht habt und Euer Entschluss nicht nur aus dem Bauch heraus getroffen wurde, sondern mit Hand und Fuß aus der vorherrschenden Einsatzlage hergeleitet wurde.


Ich appelliere daher an Euch:

Übt Euch in diesem Vorgang! Vor allem auf Übungen, bei denen Ihr reichlich Zeit und die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren habt, solltet Ihr diesen Ablauf sehr penibel einhalten. Idealerweise geht Ihr sogar einen Schritt weiter und lasst einfach Mal die eher ungewöhnliche Möglichkeit zum Entschluss werden. Dafür sind Übungen da und egal ob erfolgreich oder nicht, Ihr profitiert in jedem Fall für die Zukunft davon.

Aus langsam wird flüssig und aus flüssig wird schnell. Wenn es dann darauf ankommt, werdet Ihr ganz aus Gewohnheit den Großteil der hier angesprochenen Grundsätze berücksichtigen und zu einem folgerichtigen Entschluss kommen, der alle gesammelten und beurteilten Informationen berücksichtigt.







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